Tod in der Atacama (German Edition) by Roberto Ampuero

Tod in der Atacama (German Edition) by Roberto Ampuero

Autor:Roberto Ampuero [Ampuero, Roberto]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik
Herausgeber: ebook Berlin Verlag
veröffentlicht: 2014-12-21T05:00:00+00:00


San Pedro, Mittwoch, der 13. Mai, 9:50 Uhr

In ganz Chile gibt es keinen zweiten Schatz, der so eindrucksvoll und gleichzeitig so ungeschützt ist wie das im Museum Padre Le Paige ausgestellte Gold der alten Atacameños. Auch wenn in der Nacht schwere Stahltüren den Zutritt zu den Fundstücken verwehren, könnten die wertvollen Gegenstände tagsüber doch problemlos von jeder bewaffneten Bande geraubt werden, die nichts weiter tun müsste, als die friedlichen Museumswächter zu überwältigen.

»Sie kämen nicht weit, Bruder«, flüsterte der Inti Palomares Cayetano Brulé zu, als sie durch einen Raum mit Betonwänden schlenderten. »Immer wieder habe ich mir einen Überfall ausgemalt, aber dann habe ich mich irgendwann beruhigt. Die Diebe könnten zwar alles mitnehmen, aber sie bräuchten Stunden, um die nächste sichere Stadt zu erreichen. In der Wüste wären sie aus der Luft leicht zu sehen, sogar von einem Satelliten aus.«

Die faszinierende Schönheit der viele Jahrtausende alten, vollständig aus Gold gefertigten Stücke verschlug dem Detektiv die Sprache. Im Licht der Strahler glänzten nicht nur die fein gearbeiteten Rüstungen der großen Atacameños, die zur selben Zeit wie das Tiahuanaco-Reich existierten, sondern auch Gefäße in der Form von Gesichtern mit großen Schlitzaugen, die das Jenseits mit dem rätselhaften Lächeln einer Mona Lisa betrachteten – ein Jenseits aus grünen Weiden, schattigen Gärten und kristallklaren Bächen –, mit schlichten Motiven verzierte zermonielle Gefäße und eine große Zahl filigraner Halsketten, Ohrringe, Armreifen und Ringe.

»Alles, was du hier siehst, ist unbezahlbar«, bemerkte der Inti mit einem tiefen Seufzer, während er sich zwischen den Rastalocken unter seiner Wollmütze kratzte.

Cayetano betrachtete diese peruanische Version eines Bob Marley aus den Augenwinkeln. Mit seinen fünfundvierzig Jahren verbrachte der Inti – braungebrannt, kräftig, dunkle Augen, volle Lippen – sein Leben mit der Herstellung von Kunsthandwerk, dem Rauchen selbst gedrehter Zigaretten und konsequenter Meditation, wie er ihm auf dem Weg zum Museum anvertraut hatte. Er war Koch auf einem Schiff der peruanischen Handelsmarine gewesen und hatte auf diese Weise einiges von der Welt gesehen. Später, in den Siebzigerjahren, hatte er sich wie viele andere linke Lateinamerikaner der sandinistischen Guerilla angeschlossen. Es war die Zeit des heldenhaften Aufstands, als der Sandinismus tatsächlich so etwas wie eine revolutionäre und vom Volk gestützte Alternative zu sein schien, hatte der Inti betont, während er sich die gewebte Mütze gerade gerückt und Cayetano den Museumseintritt bezahlt hatte. Anders als heute, da der Sandinismus sich nicht groß von der mexikanischen PRI oder der Kommunistischen Partei Kubas unterscheide: eine Allianz betagter Kämpfer, die sich mit allen Mitteln an die Macht klammere, und jungen Opportunisten, die es so rasch wie möglich zu etwas bringen wollten.

»Nein, Bruder, da verkaufe ich lieber mit Jane Kunsthandwerk.« Er sprach von seiner nordamerikanischen Lebensgefährtin, die offensichtlich nicht nur seine Frau, sondern auch so etwas wie seine Aufenthaltsgenehmigung für die USA war. »Weißt du was, Bruder, nach all den Jahren bin ich zu dem Schluss gekommen, dass Guerillas, wenn sie siegreich sind, Diktatoren und Millionäre hervorbringen, und wenn sie verlieren, Terroristen und Unternehmer. Auf jeden Fall«, hatte er auf dem Weg zur Goldkammer hinzugefügt und war sich dabei



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